Was ist Lebensqualität …

… und worauf kommt es an? Diese Frage stellt sich immer wieder neu. Mama hat wieder sehr starke Schmerzen. Beim letzten Besuch war sie sehr hinfällig. Ich fragte sie, ob sie in den Garten oder zu den Kaninchen möchte. Sie nickte. Ich lockerte die Bremsen, aber sobald ich den Rollstuhl bewegte, kamen starke Schmerzäußerungen. Sie bekommt ja Schmerzpflaster und dazu nach Bedarf noch andere Medikamente. Die Mitarbeiterinnen meinten, man könne nicht mehr höher in der Dosierung gehen, weil das auf den Magen ginge. Sie habe am Tag zuvor starken Durchfall gehabt. Ich habe jetzt den Arzt angemailt, der sie seit einigen Monaten schmerztherapeutisch betreut, denn das ist kein Zuständ. Mir ist es wichtig, daß sie schmerzfrei ist, und das Schmerzpflaster wirkt eher verstopfend und die Bedarfsmedikamente begünstigen Durchfall.

In den letzten vierzehn Tagen hat sie auch sprachlich sehr abgebaut. Sie bringt bestenfalls noch zwei Worte heraus und kommt dann nicht mehr weiter, will etwas sagen, aber die Worte bleiben weg. Sie ist sehr verzweifelt darüber. Bis vor kurzem konnte sie in Zeitschriften Überschriften oder Bildunterschriften lesen. Sie liest zwar noch Buchstaben ab, kann aber den Sinn dessen, was da steht nicht mehr erfassen. Sie ißt zwar, aber ohne Genuß daran. Zwei Kilo hat sie im Juli abgenommen und wiegt jetzt nur noch 34 Kilo. Und mich nimmt das sehr mit. Vorgestern hatte ich auch das erste Mal den Eindruck, daß nicht wußte, wer ich genau bin, nur dass ich jemand „Nahes“ bin. Sie sagte immer wieder: „Bitte helfen“, und es gibt kaum was, was man tun kann um ihr Erleichterung, Abwechslung geschweige denn Freude zu verschaffen. Auch wenn ich ihr Lieblingsspeisen mitbringe, so reagiert sie kaum darauf. Der G-ttesdienst letzte Woche ist ausgefallen. Und der Therapiehund ist im Urlaub. Was bleibt da noch?

Und immer wieder wird sie von Ängsten geplagt. „Die anderen Frauen hier reden gar nicht von der Nazizeit, Ihre Mutter schon. Sie äußert immer wieder, daß sie Angst vor Adolf Hitler hat“, erzählte mir eine Mitarbeiterin. Ich zermartere mir das Hirn, was ich für sie tun kann, aber mir fällt nichts ein.

Zum Weiterlesen:
Die Gegenwärtigkeit des Vergangenen oder: Wenn die Vergangenheit nicht (mehr) vergangen ist

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