Buch der Nähe …

hat Dirk Knipphals seine Rezension in der taz über Arno Geigers Buch „Der alte König in seinem Exil“ überschrieben. Dort heißt es:

Es gibt in diesem Buch so etwas wie eine unerhörte Begebenheit. Mit der Alzheimererkrankung des Vaters August Geiger, die der Schriftsteller Arno Geiger autobiografisch schildert, hat sie natürlich zu tun; aber sie geht darin nicht auf. Alzheimer ist ein Schreckenswort. Alles, was schlimm daran ist, kommt vor: die Alltagsuntauglichkeit, der Verlust kognitiver Fähigkeiten, die Abhängigkeit von Betreuerinnen, mit denen es mal mehr und mal weniger gut läuft, die Verzweiflung. Aber die unerhörte Begebenheit, die dieses Buch antreibt, entwickelt gegenüber diesen Umständen ein eigenes Recht.

Sie besteht darin, dass der Sohn und Icherzähler mit dem kranken Vater eine neue Beziehung eingehen kann. Der Vater war, nach schöner Kindheit, im Leben des Icherzählers schon an den Rand gedrängt gewesen. Pubertät und frühes Erwachsenenalter halt. „Der Vater war mir während dieser Zeit einfach nicht besonders wichtig und phasenweise egal.“ Gegen Schluss des Buchs sagt der Icherzähler aber dann über sein Verhältnis zu seinem Vater: „Es gibt da etwas zwischen uns, das mich dazu gebracht hat, mich der Welt weiter zu öffnen.“ Man verbringt Zeit miteinander. Die Verletzlichkeit des Vaters hebt manche emotionale Sperre auf. Und das wirkt auf den Sohn zurück. Es weitet seine Weltzugänge.

Die Fallhöhe, die hier aufscheint, ist enorm. Mit Alzheimer verbindet man Verluste. Hier ist nun, mit aller Vorsicht, auch von neuen Erfahrungen und sogar von Gewinnen die Rede. Bei einem schlechten Erzähler wäre man sich da mehr als unsicher, ob man sich hier angemessen gegenüber dem Schicksal des kranken Vaters verhält. Arno Geiger aber hat einen Weg gefunden, davon zu erzählen.

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