Selbstbestimmt leben, fremdbestimmt sterben?

lautet das Thema bei „Beckmann“ heute am Montagabend um 22.45 in der ARD:

„Ob Alter, Krankheit oder Unfall – jeder kann plötzlich in die Lage geraten, über das eigene Leben und Sterben nicht mehr bestimmen zu können. Die Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen und Sterbehilfe belastet Angehörige schwerkranker Patienten ebenso wie Ärzte und Pflegeheime. Was bedeutet „in Würde“ sterben? Wie sieht der Alltag in Hospizen aus? Welche Möglichkeiten bietet die Palliativmedizin? Und welche Vorsorge können wir für den Fall der Fälle selbst treffen?“

Es diskutieren:
Elke Gloor
(leistete ihrer Mutter Sterbehilfe) und Wolfgang Putz (Rechtsanwalt)
Thomas Sitte (Palliativmediziner)
Gita Neumann (Sterbebegleiterin)
Wilhelm Wieben (ehem. „Tagesschau“-Sprecher)

 

Alpakas im Altenheim

Warum nicht? Beim Sommerfest im Pflegeheim waren sie eine Attraktion. Nur meiner im Rollstuhl sitzenden Mutter waren sie zu groß. Aber ein neuer Trend scheint sich in der Tiertherapie oder richtiger gesagt in der „tiergestützten Therapie“ anzubahnen, wenn man dem Magazin Spiegel glauben darf. Alpaka- statt Delphintherapie: Genauso effektiv, aber nur ein Zehntel des Delphintherapiepreises. Mit 1600 Euro für 10 Therapiestunden ist man mit den Alpakas dabei.

Beim Weiterlesen des <a href=“Beim Weiterlesen des <a href=“http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78076147.html&#8220; title=“Spiegel-Artikels“></a>“ target=“_blank“>Spiegelartikels</a> werde ich zunehmend ärgerlich. Da ist nur von Auswüchsen und finanzieller Abzocke, also den „schwarzen Schafen“ die Rede. Und die gibt es überall. Da heißt es:

<blockquote>Hundebesitzer, die früher ehrenamtlich in den Kindergarten gingen, stellen jetzt pro Stunde gern mal 300 Euro in Rechnung – als angebliche Prophylaxe gegen psychische Erkrankungen.</blockquote>.

Therapiehund Largo, der die Wohngruppe meiner Mutter regelmässig besucht hat, hatte eine zweijährige Ausbildung zum Therapiehund durchlaufen und zwar für Demenzkranke und für behinderte Kinder. Diese Ausbildung hat den Besitzer 1600 Euro gekostet. Ob das von der Steuer absetzbar ist, weiß ich nicht. Die Besuche im Heim waren ehrenamtlich und die Aufwandsentschädigung pro Einsatz war 15 oder 20 Euro. Außerdem waren die regelmässigen amtstierärztlichen Untersuchungen für den Hundehalter umsonst.  Wer mehr über den Hundebesuchsdienst wissen will, findet einige Blogeinträge unter der Kategorie „Tierisches“.

Verständniskarten für Menschen mit beginnender Demenz

Verständniskärtchen für Angehörige gibt es schon länger von verschiedenen Alzheimer-Angehörigen-Initiativen.

Nun bietet die Alzheimer-Gesellschaft Baden-Württemberg auch Verständniskarten für Menschen mit beginnender Demenz an.:

Verständniskarte

Menschen mit einer Demenz, die noch nicht weit fortgeschritten ist, sind überall in der Öffentlichkeit anzutreffen – beim Einkauf auf dem Markt, am Fahrkartenschalter, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Supermarkt, am Taxistand, im Konzert usw.

Mit vielem kommen die Menschen trotz ihrer Einschränkungen noch sehr gut zurecht – bei anderen Gelegenheiten stoßen sie an Grenzen oder auf Unverständnis, vor allem wenn nicht alles so einfach und schnell klappen will wie bei Anderen. Niemand kann und möchte in solchen Situationen lange Erklärungen abgeben. Niemand möchte sich gern peinlichen Momenten aussetzen. Aber oftmals wäre durch einen kleinen Hinweis geholfen oder die Situation erklärt: Sinn und Zweck der Kärtchen ist es, dass Menschen mit einer Demenz in der Frühphase leicht(er) und ohne Erklärungsnöte auf ihre Situation hinweisen und Verständnis und Hilfe erhalten können.

Weitere Infos sowie Bestellmöglichkeiten gibt es hier.

Letzte Freiheit … oder was?

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Stern vom 12. Mai 2011

Der aktuelle Stern macht mit der Selbsttötung von Gunter Sachs auf und überschreibt sie mit „letzte Freiheit“. Ist es wirklich ein Zeichen von Freiheit oder von Unfreiheit, in dieser Situation aus dem Leben zu gehen? „Letzte Freiheit“ suggeriert etwas Heroisches. Und dieser Tod hat für mich nichts heldenhaftes. Ein Mensch, der nach gängigen gesellschaftlichen Maßstäben alles hatte, setzt seinem Leben ein Ende. Dieses Leben war ein nach außen inszeniertes Leben, und Gunter Sachs hatte die Kontrolle über diese Inszenierung. Alzheimer, wobei niemand weiß, ob er wirklich im Anfangsstadium dieser Krankheit war, bedeutet: Zunehmenden Kontrollverlust und zunehmendes Angewiesensein auf andere. Das konnte Gunter Sachs nicht ertragen – oder besser gesagt, diese Vorstellung konnte und wollte er er nicht ertragen. Er hatte materiell gesehen viel bessere Voraussetzungen als die meisten anderen: Er hätte sich Betreuung und Unterstützung nach seinen Bedürfnissen und Wünschen leisten können. Jemand, der eben mal zum Zahnarztbesuch nach Kalifornien jettet, scheitert an der Zukunftsperspektive Demenz. Die materielle Seite, die viele an den Rand der Verzweiflung treibt – neben allen möglichen anderen Schwierigkeiten, kann es nicht gewesen sein. Er wollte sich selber und anderen das nicht zumuten. Wobei noch die Frage wäre, wie die „anderen“, die jetzt mit dieser Selbsttötung leben müssen, dazu gestanden hätten.

Meine Mutter hat immer wieder geäußert, daß sie sterben will. Mehrmals dachten wir, es sei bald soweit, aber immer wieder kam sie ins Leben zurück. Und dann starb sie zu einem Zeitpunkt, an dem wir nicht damit gerechnet haben. Wobei ich denke, daß es weniger die Demenz war, die ihrem Todeswunsch zugrunde lag, sondern dass sie eben auch chronische Schmerzpatientin war und in ihrer Bewegungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt war. Und trotzdem hat sie in ihrer Krankheit Seiten und Interessen entwickelt, die ihr in gesunden Tagen fern waren. Die ganzen Jahre hat sie bei der Beschäftigungstherapie das Tun der anderen Bewohnerinnen rege kommentiert. Das war ihr Beitrag zum Gruppengeschehen. Mit Basteln, Malen und kreativen Gestaltungsformen hatte sie es ihr ganzes Leben nicht. In der Pflegedokumentation in ihrer letzten Lebenswoche war zu lesen: Bewohnerin hat in der Beschäftigungstherapie ein Bild gemalt.

Ich finde es sehr bedenklich, daß der Selbstmord von Gunter Sachs so idealisiert wird. Das sagt viel über den Zustand unserer Gesellschaft. Müßten wir nicht viel mehr danach fragen, wie denn die Rahmenbedingungen für dementiell veränderte Menschen und ihre Angehörigen sein müßten, die ein Leben in Würde ermöglichen?

Talkshow: Ist Selbstmord besser als Demenz … (2)

Auf der Sendungshomepage von Hart aber Fair habe ich nachgesehen, welche Gäste zum Gespräch eingeladen worden sind:

Inga Griese, Gesellschafts- und Lifestyle-Journalistin. Sie kannte Gunter Sachs persönlich. Eine Gesellschafts- und Lifestyle-Journalistin muß ich nun nicht unbedingt sehen, aber aus aktuellem Anlaß der Sendung ist es verständlich, dass jemand eingeladen wird, der Gunter Sachs persönlich kannte. Und vielleicht habe ich auch Vorurteile gegen Gesellschafts- und Lifestyle-Journalistinnen und diese Sendung gibt mir die Gelegenheit, diese zu revidieren.

Tilman Jens ist der Sohn des Schriftstellers und Rhetorikprofessors Walter Jens, der schon zum Thema veröffentlicht hat, was nicht unumstritten war. Mich interessiert seine Perspektive als Angehöriger, dessen dementiell veränderter Vater in einer Situation lebt, die finanziell sehr priviligiert ist und sicher nicht vergleichbar ist mit einem Angehörigen, die ein druchschnittliches Einkommen haben.

Die SPD-Politikerin Renate Schmidt finde ich eine gute Wahl und bin sehr gespannt auf ihre Beiträge. Den Journalisten und Moderator Stephan Kulle kenne ich nicht. Er hatte im Alter von 23 Jahren einen Autounfall und war fünf Jahre im Rollstuhl. Darüber hat er ein Buch geschrieben: „Riss im Glück: Diagnose Querschnittlähmung. Wie ich wieder auf die Beine kam.“ Das hat zwar nichts direkt mit Alzheimer zu tun, aber dass eine Person eingeladen wird, die eine scheinbar ausweglose Situation erlebt hat und im Rückblick darüber erzählen kann, verstehe ich.

Und dann ist da noch Peer Juhnke, mit dem man scheinbar zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Arzt und Sohn des verstorbenen Entertainers Harald Juhnke. Und das verhagelt mir schon im Voraus die Talkshow. Noch als Mama lebte, habe ich ihn schon mal im Fernsehen zum Thema Demenz erlebt. Ich finde, ein zweites „Promi-Kind“ neben Tilman Jens bräuchte es eigentlich nicht. Aber, was mir die Suppe völlig verhagelt ist, daß ich weiß, wie Herr Juhnke junior über das Heim spricht, in dem sein Vater untergebracht war. Das hat nämlich nichts mit den Realitäten zu tun, die ich erlebt habe. Harald Juhnke war nämlich in dem Haus, in dem auch meine Mutter gepflegt wurde – und nicht nur das: Mama war in der gleichen Wohngruppe, in der Harald Juhnke betreut wurde. Und wenn das nicht schon genug wäre: Nach dem Tod von Harald Juhnke ist Mama in das Zimmer von Harald Juhnke eingezogen und hat sich gelegentlich in diesem Glanz gesonnt. Ich erinnere mich noch sehr genau als sie mich einige Tage nach ihrem Einzug – etwas provozierend fragte: „Und was machst Du, wenn es mir hier auch nicht gefällt?“. Darüber machte ich mir aber nach diesem Umzug und Neustart ehrlich gesagt keine allzu großen Sorgen. Ich antwortete: „Das weiß ich nicht. Du weißt ja, daß ich monatelang gesucht habe, bis ich dieses Haus gefunden habe. Und hier in diesem Zimmer hat vor Dir der Harald Juhnke gewohnt. Also schau doch erst einmal, wie es hier ist, und dann sehen wir weiter. Und das, was der Juhnke-Sohn vor ein paar Jahren in der Talkshow über das Heim erzählt hat, hätte mich überhaupt nicht auf die Idee gebracht, daß es sich um das selbe Haus handelt, in dem meine Mutter zu diesem Zeitpunkt lebte. Ich habe auch am nächsten Tag die von seinen Erzählungen völlig erschütterten Mitarbeiterinnen erlebt. Und die besondere Mitarbeiterin, von der ich hier erzählt habe, hört ich zu einer Kollegin sagen: „Wie kann er denn so über uns reden. Er war doch in der ganzen Zeit, die sein Vater hier bei uns war gerade zwei mal da.“ Man darf also gespannt sein. Jedenfalls habe ich an die Redaktion der Talkshow eine Mail geschrieben und gefragt, warum zwei Promi-Söhne eingeladen werden, aber keine Pflegefachkraft, die täglich mit Demenzkranken arbeitet?

Zum Weiterlesen:
Selbstmord – ich habe Demenz

Talkshow: Ist Selbstmord besser als Demenz … (1)

Die Selbsttötung von Gunter Sachs hat viele erschüttert. Gunter Sachs wollte nicht mehr mit Demenz weiterleben. Deshalb hat er sich erschossen. Die Sendung „Hart aber Fair“ wird am Mittwoch um 21.45 h in der ARD dieses Thema aufnehmen:

Der Freitod von Gunter Sachs hat Deutschland schockiert. Nach einem rasanten Leben ein selbstbestimmtes Ende. Aber: Ist ein Wegdämmern in Alzheimer oder Demenz wirklich so menschenunwürdig? Oder ist am Ende der Mensch mutiger, der sich auch solchen Krankheiten stellt?

Muttertag …

hatte für Mama immer einen hohen Stellenwert. Ich habe immer versucht, ihr diesen Tag so schön wie möglich zu machen, auch wenn ich eigentlich fand, daß er – wie der Valentinstag – eher kommerziellen Interessen dient. Letztes Jahr waren wir – da war ihr Bewegungsradius schon sehr eingeschränkt – im Lieblingscafé mit Sahnetorte und Eis. Am Schlimmsten war der Muttertag 2005 kurz nachdem vom Allgemeinkrankenhaus eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie veranlasst worden war. Angeblich sei Mama gegen eine Mitpatientin aggressiv geworden. Sie sollte nach Hause entlassen werden und verstand nicht, dass sie auf mich warten sollte. Was genau passiert ist, habe ich nie herausfinden können. Als ich im Krankenhaus ankam um sie abzuholen, da war sie schon von der Polizei in die psychiatrische Klinik gebracht worden, wobei sie – so die junge Ärztin – sich gewehrt habe und einen Polizisten gebissen habe. Am nächsten Tag fand ich sie dann mit einem blauen Auge und wenig ansprechbar, weil von Medikamenten zugedrühnt – auf einer gerontopsychiatrischen Station vor. Die war noch vom alten Schlag mit Schlafräumen für mehr als 10 Personen. Ich brachte ihr Kleidung, persönliche Dinge und ein Fotoalbum und war sehr erschüttert als ich merkte, daß sie mit den meisten Fotos nichts mehr anfangen konnte und die Personen falsch zuordnete. Nicht einmal sich selbst oder mich hat sie erkennt… Heute habe ich mir was Schönes vorgenommen, damit der Tag nicht allzu schwer wird. Im Grossen und Ganzen hat das geklappt, und die Leerstelle, die da ist, weil das erste Mal in meinem Leben Muttertag ist und sie nicht mehr da ist, darf auch sein. An solchen Tagen merkt man es besonders.

Handarbeiten gegen Alzheimer?

Stricken gegen Stress und Gedächtnisverlust ist ein Artikel in der taz vom 28. April 2011 überschrieben.

Ein amerikanischer Forscher hat 400 (!) vierhundert Senioren nach ihren Freizeitbeschäftigungen befragt. Dabei kam er zu folgendem Ergebnis:

Das Ergebnis: Wer regelmäßig strickte, Bücher las oder Computer spielte, anstatt fernzusehen, hatte ein um 40 Prozent reduziertes Risiko für pathologische Gedächtnisverluste, eine Vorstufe der Alzheimer-Demenz. Der Effekt zeigte sich auch, wenn diesen Hobbys erst später im Leben nachgegangen wurde.

Vierhundert Befragte sind keine so große Gruppe als dass man daraus ein repräsentatives Ergebnis ableiten könnte. Diejenigen, die jetzt hierzulande alt sind und von Demenz betroffen, gehören zu der Generation, für die Handarbeiten selbstverständlich zu ihrer Kindheit und Jugend dazugehörte. Man kann nun andersherum fragen, wie hoch der Anteil an Dementen bei dieser Altersgruppe wäre, wenn sie mit den Handarbeitsstandards ihrer Kinder- oder Enkelgeneration aufgewachsen wären.

Fazit: Manchmal hat es skurile Züge, aber meist nervt es mich, wenn wieder eine neue Sau durch das mediale Dorf getrieben wird, was – angeblich – vorbeugend gegen Alzheimer wirkt (u. a. ein gewisser Weinkonsum, Mittelmeerküche, ein höheres Quantum an Kaffee als der Durchschnittsdeutsche zu sich nimmt …)