Es gibt ein Leben nach der Diagnose

… so ist ein Interview überschrieben, das Almut Engelien mit Helga Rohra führte und am 11. Mai 2012 im SWR 2 ausgestrahlt wurde. Helga Rohra war international als Simultandolmetscherin tätig bis sie mit 54 Jahren ihre Demenzdiagnose erfuhr. Audiodatei und Sendemanuskript sind hier zu finden.

Ein Alzheimerdorf für Deutschland?

Der häufigste Suchbegriff, der auf dieses Weblog führt, ist „Hogewey“, das „Alzheimerdorf“ in den Niederlanden, über das immer wieder in Zeitungen oder Fernsehbeiträgen berichtet wird. Nun gibt es einen Krankenpfleger und Betriebswirt, der nach dem Modell von Hogewey in Deutschland eine ähnliche Einrichtung plant und zwar in Alzey. Die Frankfurter Rundschau berichtete darüber unter der Überschrift „Im Demenzdorf stets frei aber behütet„.

Die Pflege soll durch ambulante Pflegefach- und Hilfskräfte erfolgen. Allerdings irritiert mich der folgende Satz:

„… Bennewitz und Georgi setzen einen Betreuungsschlüssel von 1,2 Kräften je Zehnergruppe an. Dies sei im Vergleich zu stationären Einrichtungen sehr gut“.

Im Heim in dem meine Mutter in einer Wohngruppe von 8 – 10 Menschen lebte, waren tagsüber immer 2-3 Mitarbeiterinnen in der Wohngruppe präsent. Und dann gab es die gruppenübergreifenden Aktivitäten wie Gymnastik, Singen, Hundebesuch, Gottesdienst, Ausflüge zum Tierbauernhof, Kaffeestübchen, Gartengruppe, Kaffeestübchen, Kochgruppe und vieles andere.

Weiter heißt es:

„Pro Zehner-Wohngruppe gibt es drei Bäder und eine Küche“.

Finde ich auch nicht so toll. Für meine Mutter war es sehr wichtig, daß sie ihre eigene Naßzelle hatte, die sie mit niemand teilen mußte. Das war in ihrem Heim auch selbstverständlicher Standard bei den Einzelzimmern und die waren in der Mehrzahl.

Zur finanziellen Seite: In den Niederlanden kostet ein Platz in Hogewey monatlich 5000 Euro – so die Fernsehberichterstattung. Die Finanzierung der Pflege läuft dort anders als bei uns. Für das deutsche Alzheimer-Dorf heißt es in der Planung:

„Der Platz im Demenzdorf soll größtenteils günstiger sein als der klassische Heimplatz. Abgerechnet wird nicht nach den Sätzen für Heime, sondern für ambulante Pflege, um der politischen Forderung nach „ambulant vor stationär“ gerecht zu werden. Träger Bennewitz & Georgi kalkulieren mit einem Eigenteil der Bewohner zwischen 1200 und 1400 Euro im Monat. „Das entspricht maximal dem Niveau des Eigenanteils im Pflegeheim in der Pflegestufe eins“, sagt Bennewitz.“

Ich habe mir 2005 als es für meine Mutter aktuell war, einige Demenzwohngemeinschaften in Berlin angesehen. Dort sind ambulante Pflegedienste für die Betreuung der dementiell veränderten Bewohner verantwortlich, und das ist tagsüber nie der genannte Satz von 1,2 pro zehn Bewohner gewesen wie die Alzeyer das veranschlagen sondern mehr. Zum ambulanten Pflegedienst kommt dann noch die anteilige Wohnungsmiete und viele andere Kosten. Das war schon 2005 in Berlin in Stadtvierteln mit relativ moderaten Mieten mit 1200 bis 1400 Euro nicht machbar. Und als meine Mutter nach Berlin kam, hatte sie noch Pflegestufe 1. Angesichts des inzwischen höheren Preisniveaus halte ich diese Planungen für unrealistisch.