Der häufigste Suchbegriff, der auf dieses Weblog führt, ist „Hogewey“, das „Alzheimerdorf“ in den Niederlanden, über das immer wieder in Zeitungen oder Fernsehbeiträgen berichtet wird. Nun gibt es einen Krankenpfleger und Betriebswirt, der nach dem Modell von Hogewey in Deutschland eine ähnliche Einrichtung plant und zwar in Alzey. Die Frankfurter Rundschau berichtete darüber unter der Überschrift „Im Demenzdorf stets frei aber behütet„.
Die Pflege soll durch ambulante Pflegefach- und Hilfskräfte erfolgen. Allerdings irritiert mich der folgende Satz:
„… Bennewitz und Georgi setzen einen Betreuungsschlüssel von 1,2 Kräften je Zehnergruppe an. Dies sei im Vergleich zu stationären Einrichtungen sehr gut“.
Im Heim in dem meine Mutter in einer Wohngruppe von 8 – 10 Menschen lebte, waren tagsüber immer 2-3 Mitarbeiterinnen in der Wohngruppe präsent. Und dann gab es die gruppenübergreifenden Aktivitäten wie Gymnastik, Singen, Hundebesuch, Gottesdienst, Ausflüge zum Tierbauernhof, Kaffeestübchen, Gartengruppe, Kaffeestübchen, Kochgruppe und vieles andere.
Weiter heißt es:
„Pro Zehner-Wohngruppe gibt es drei Bäder und eine Küche“.
Finde ich auch nicht so toll. Für meine Mutter war es sehr wichtig, daß sie ihre eigene Naßzelle hatte, die sie mit niemand teilen mußte. Das war in ihrem Heim auch selbstverständlicher Standard bei den Einzelzimmern und die waren in der Mehrzahl.
Zur finanziellen Seite: In den Niederlanden kostet ein Platz in Hogewey monatlich 5000 Euro – so die Fernsehberichterstattung. Die Finanzierung der Pflege läuft dort anders als bei uns. Für das deutsche Alzheimer-Dorf heißt es in der Planung:
„Der Platz im Demenzdorf soll größtenteils günstiger sein als der klassische Heimplatz. Abgerechnet wird nicht nach den Sätzen für Heime, sondern für ambulante Pflege, um der politischen Forderung nach „ambulant vor stationär“ gerecht zu werden. Träger Bennewitz & Georgi kalkulieren mit einem Eigenteil der Bewohner zwischen 1200 und 1400 Euro im Monat. „Das entspricht maximal dem Niveau des Eigenanteils im Pflegeheim in der Pflegestufe eins“, sagt Bennewitz.“
Ich habe mir 2005 als es für meine Mutter aktuell war, einige Demenzwohngemeinschaften in Berlin angesehen. Dort sind ambulante Pflegedienste für die Betreuung der dementiell veränderten Bewohner verantwortlich, und das ist tagsüber nie der genannte Satz von 1,2 pro zehn Bewohner gewesen wie die Alzeyer das veranschlagen sondern mehr. Zum ambulanten Pflegedienst kommt dann noch die anteilige Wohnungsmiete und viele andere Kosten. Das war schon 2005 in Berlin in Stadtvierteln mit relativ moderaten Mieten mit 1200 bis 1400 Euro nicht machbar. Und als meine Mutter nach Berlin kam, hatte sie noch Pflegestufe 1. Angesichts des inzwischen höheren Preisniveaus halte ich diese Planungen für unrealistisch.
Wer ist denn bitte „alzheimerblog“? Ich biete Ihnen gern an, sich mit mir in Verbindung zu setzen, bevor Sie unreflektiert und sachlich falsch unser Projekt beurteilen.
Beste Grüße
Jan Bennewitz
Dann vermerken Sie hier doch bitte die Linkadresse zu Ihrem Projekt, damit wir uns online schlau machen können.
Hallo Herr Bennewitz,
„alzheimerblog“ ist ein sehr lesenswerter Blog für betroffene Angehörige. Ich jedenfalls bin seit Jahren dankbare Leserin dieser kritischen Artikel!
Und so unreflektiert finde ich den Beitrag gar nicht, wenn man als Angehörige 1 und 1 zusammenzählen kann!
Herzliche Grüße
Wiebke Hoogklimmer
Hallo Frau Hoogklimmer,
ich weiß trotzdem nicht, wer diesen Kommentar verfasst hat. Wie kann man 1 und 1 zusammenzählen, wenn man das Projekt nur aus einem Zeitungsartikel kennt? Ich finde eine solche Form der Diskussion nicht zielführend. Unser Anliegen ist es, eine Alternative für Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz zu schaffen, deren Versorgung zuhause nicht mehr möglich ist. Diesen Menschen bleibt nur der Umzug in eine klassische Pflegeeinrichtung. Aus dem Blickwinkel der Lebensqualität der Betroffenen ist unser konzeptioneller Ansatz ein großer Fortschritt – davon sind wir zutiefst überzeugt.
Beste Grüße
Jan Bennewitz
Hallo Herr Bennewitz,
ich persönlich bin auch nur Leserin dieses Blogs, habe aber große Erfahrungen mit der Pflege und den Kosten wegen meiner seit 2000 an Alzheimer erkrankten Mutter, die sich heute im Endstadium der Krankheit befindet.
Die oben zitierten Stellen des Artikels sehe ich auch kritisch:
1,2 Kräfte je Zehnergruppe erscheinen mir auch sehr wenig. Und 3 Bäder pro Zehnergruppe wären für mich als Angehörige nicht akzeptabel. Zuhause und im Heim hat jeder sein individuelles Bad. Und es ist für mich nicht einzusehen, wieso ein individuelles Bad, das sich auch jeder gesunde Mensch wünscht, für Demenzkranke für nicht notwendig angesehen wird.
Und den letzten Absatz kann ich rein rechnerisch auch bestätigen.
Aber das muß jeder für sich individuell entscheiden, was er oder sie für seine/ihre Angehörigen für angemessen hält.
Ich persönlich ziehe sowie die gemischten Pflegestationen den reinen Demenz-Wohngruppen vor. Die BewohnerInnen, die zwar pfegebedürftig aber geistig noch fit sind, kommunizieren auch mit meiner dementen Mutter. Und so hat meine Mutter nicht nur Kontakt mit anderen Dementen oder wesentlich jüngeren Pflegekräften, sondern auch mit geistig fitten Gleichaltrigen. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung! Ich weiß, daß da viele anderer Ansicht sind.
Herzliche Grüße
Wiebke Hoogklimmer
Wer gelaufgefährdet ist, sollte in eine geschlossene Demenzkrankengruppe.
In dem Heim, wo ich beschäftigt bin, gibt es so ein Wohnbereich.Dort leben 12 Menschen. Sie können sich Tag und Nacht frei bewegen und werden situationsgerecht versorgt. Das geht auf normalen Wohnbereichen schlecht, da dort auch ein schlechterer Personalschlüssel gilt.Es kann auch gut gehen, dass ein Demenzkranker auf einem normalen Wohnbereich glücklich lebt, aber wenn er Tag und Nacht laufen will, geht das sehr schlecht und die Nachtschwester kann den Bewohner auch nicht ständig aus anderen Zimmern holen und alles verstecken, was gefährlich für den oft sehr verwirrten Bew. ist. Das wird in speziellen Wohngruppen gewährleistet.
Das stimmt allerdings!!!!
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