Vor einigen Tagen hinterließ Annett folgenden Kommentar:
Ich finde es sehr schade, dass dieser Blog so anonym bleibt. Alzheimer und andere Demenzerkrankungen dürfen nicht in der dunklen “Angst-Ecke” bleiben, wo keiner hinschauen mag…
Durch diese Zeilen wurde ich angeregt, nochmal über das Verhältnis von Offenheit und Öffentlichkeit beim Bloggen und in diesem speziellen Fall über mein Bloggen nachzudenken. Daß dieses Weblog anonym ist, hat mehrere Gründe. Ich konnte meine Mutter nicht (mehr) fragen, wie sie es findet und ob sie damit einverstanden ist, daß ich über ihr Leben schreibe. Die Welt des Internet war nicht (mehr) ihre. Ohne ihr Einverständnis möchte ich nicht unter Klarnamen schreiben.
Mit der Zeit und zunehmender Vertrautheit mit dem Medium Weblog ist mir ein anderer Aspekt wichtig(er) geworden:
Ich möchte öffentlich darüber schreiben, was die Alzheimerkrankheit mit sich bringt. Jeder kann im Internet lesen und es ist nicht mehr rückholbar. Ich möchte aber nicht zu jeder Zeit und von jedem, mit dem ich irgendwie zu tun habe – beruflich oder privat – über dieses Blog identifiziert werden.
Ich gehe in meinem Umfeld offen mit Alzheimer um, möchte aber die Entscheidung darüber behalten, wann ich im realen Leben Menschen Einblicke geben möchte und in welchem Ausmaß.
Mein Blog war das erste zum Thema Demenz im deutschsprachigen Raum. Inzwischen sind einige andere dazugekommen. Andere haben sich was den Umgang mit ihrer Identität betrifft, anders entschieden.
Ich stimme auch zu, daß Alzheimer aus der Ecke des Geheimen und des Tabus heraus muß. Ich denke, daß ich dazu einen Beitrag leiste in der Form, die mir möglich ist – auch wenn ich das namenlos tue.
Ich erinnere mich an die Anfangszeit meines Bloggens. Ich bekam mehrere Zuschriften, die beanstandeten, daß ich meine Mutter vorführe und das, was ich tue, exhibitionistisch sei.
Wer hier länger liest, erfährt sehr viel über Deine Persönlichkeit und über Deine Mutter. Für mich ist das ein sehr guter, tiefer Einblick in das Leben mit Alzheimer. Vielen Dank dafür. Ich kann Deine Gründe, keinen Namen zu nennen, gut verstehen und wüßte auch nicht, was ein Name bringen würde über das hinaus, was hier steht.
Ich finde, die Balance zwischen Aufklären und Anonymität zu wahren, ist auf diesem Blog gut getroffen. Insofern halte ich es nicht für erforderlich, mehr aus der „schützenden Deckung“ zu kommen. Genau die Angst-Ecke wird nicht bedient, finde ich.
In der heutigen Welt halte ich es für absolut unumgänglich sensible Daten wie die von alten und kranken Menschen zu schützen. Das hat nichts mit Geheimnissen und Tabus zu tun. Dem Inhalt und der Wirkung dieses wunderbaren Blogs schadet diese Anonymität sowieso nicht!
Ich finde es fast etwas viel verlangt, bei einem so privaten Thema auch noch einen Namen zu verlangen. Wozu auch? Das was du hier berichtest, ist auch ohne Namen wertvoll und keinesfalls eine ‚dunkle Angst-Ecke‘ – im Gegenteil! Etwas öffentlicheres als ein frei zugängliches Blog gibt es wohl kaum – hinschauen kann also (fast) jeder; ob sie/er das auch will, ist eine andere Frage, hat wohl aber nichts mit deiner Entscheidung zum Thema Anonymität zu tun. Die Entscheidung, nicht ohne ihre Zustimmung mit Namensnennung über deine Mutter zu berichten, finde ich ethisch absolut nachvollziehbar.
Es ist, finde ich, ein Persönlichkeitsrecht, ein Pseudonym oder nicht mal das zu wählen. So wie ich frei entscheiden kann, mit wem ich Gefühle und Gedanken aus meinem Leben teile. Und wenn es um eine unbekannte Menschenmenge „Öffentlichkeit“ geht, dann sowieso.
Dieser Blog ist ein Baustein, ein guter und wichtiger. Er kann und muss nicht alles leisten, was machbar ist.
Vor 2 Stunden habe ich erfahren, dass Alzheimer in meiner Familie angekommen ist. Es ist wichtig, dass ich hier mit- und nachlesen kann. Es ist nicht wichtig, Deinen Namen zu kennen.
Danke, noch einmal (oder überhaupt), für Deine Veröffentlichungen hier.
Ich finde die Anonymität absolut nachvollziehbar; ja, ich glaube es würde mich sogar irgenwie stören oder irritieren, wenn es hier in diesem Fall nicht so wäre, ich hätte dann nicht so das Gefühl der Authentizität. Persönliche Dinge können auf diese Weise freier erzählt werden, worin auch der besondere Wert dieser Aufzeichnungen liegt.
Einen lieben Gruß,
S.