Film FAMILYBUSINESS

Anne P. mit Jovita S.

Anne P. mit Jovita S.

Weil in Bochum zwei Töchter ihre 88jährige vor kurzem verwitwete Mutter nicht pflegen können, suchen sie eine Lösung, die es der Mutter ermöglicht, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Sie schalten eine Vermittlungsagentur ein und engagieren zwei Pflegehelferinnen, die abwechselnd die Mutter Anne P. betreuen sollen und ihnen so ermöglichen ihrer Berufstätigkeit nachzugehen.

Die Regisseurin Christiane Büchner hat durch die Pflegeagentur die beiden Familien kennengelernt bevor diese aufeinander trafen und konnte so den Prozeß bei beiden von Anfang an begleiten. Jowita S. ist 40 Jahre alt, verheiratet und hat eine Tochter in der Pubertät. Die Familie lebt auf einer Baustelle und will keinen Bankkredit aufnehmen. Sie brauchen Geld für den Hausbau und so kommt Jovita auf die Idee als Pflegehelferin in Deutschland zu arbeiten und läßt sich dafür schulen.

Der Film zeigt, wie die beiden Familien aufeinander treffen, erzählt von unterschiedlichen kulturellen Zugängen, Überforderung und dem Versuch mit den auftretenden Belastungen umzugehen. FAMILYBUSINESS stellt die beiden Familien einander gegenüber, die sich rund um das Wohl von Anne organisieren. Sie tauschen Zeit gegen Lohn und machen so Familie zu einem Arbeitsplatz. Ohne simple Zuschreibungen folgt der Film dieser Spur der Ökonomie tief in den Alltag dieser Familien hinein. Wo gibt es Gewinn? Worin besteht der Verlust? Eine Bilanz, die immer mehr von uns früher oder später werden ziehen müssen.

Mit den polnischen (bzw. osteuropäischen) Haushaltshilfen habe ich mich – auch in diesem Blog – schon beschäftigt. Erstmals anschaubar wurde für mich durch den Film, wie mit der gesetzlichen Vorgabe umgegangen wird, daß eine polnische Helferin höchstens drei Monate am Stück in Deutschland arbeiten darf. Eine Familie muß also zwei Helferinnen koordinieren. Jovita möchte sich im Monatsrhythmus mit ihrer Kollegin Anja abwechseln um nicht zu lange von ihrer Familie getrennt zu sein. Ihre Kollegin Anja jedoch möchte selbst zwei Monate am Stück arbeiten und einen Monat in Polen sein. In dieser Zeit soll Jovita sie vertreten. Das Arrangement der Agentur sieht vor, daß die Frauen das untereinander regeln. Als sie keinen Konsens finden, entscheidet sich die Familie für Anja.

Die deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat den Film mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es u.a.:

„Voller Diskretion und mit bemerkenswerter Konsequenz folgt Christiane Büchners Film seiner Protagonistin und zeigt sie in ihren unterschiedlichen Welten. Und selbst das eine Mal, in dem der Film von seiner künstlerischen Strategie abweicht und eine Weile das Zusammenleben von Jowitas Kollegin Anya und Anne zeigt, erweist sich diese Entscheidung als goldrichtig, denn nur so werden die unterschiedlichen Herangehensweisen und auch Jowitas Unerfahrenheit sowie die Tatsache deutlich, dass sie als erste Pflegerin der Demenzkranken einen schweren Stand hat. Als gelungen erweist sich zudem auch, dass die Regisseurin die eigentliche Pflegearbeit niemals zeigt, sondern sich stattdessen völlig auf die rein psychologischen und auch wirtschaftlichen Aspekte sowie deren Auswirkungen auf das Beziehungsgeflecht Jowitas und Annes konzentriert. Auf diese Weise entsteht eine intime, aber niemals voyeuristische Betrachtung über eine Zwangsgemeinschaft, wie wir ihr in Zukunft noch häufiger begegnen werden.“

FAMILYBUSINESS
ein Dokumentarfilm von Christiane Büchner
89 Minuten, Deutsch und Polnisch mit UT