Montagsfrage: Warum bloggst Du und wie hat das bei Dir angefangen?

Herr Joel aus Luxemburg stellt uns jeden Montag eine Frage. Wie hat das angefangen mit dem Bloggen bei mir. Meine Mutter war an vaskulärer Demenz erkrankt, wurde in die Gerontopsychiatrie eingeliefert, weil sie auf ihrem Balkon stehend um Hilfe rief. Ich – mehrere hundert Kilometer entfernt, wurde verständigt und mußte innerhalb kürzester Zeit für sie einen Heimplatz finden, weil klar war, daß sie nicht mehr allein leben kann und ich wegen meiner beruflichen Situation (viel Reisetätigkeit) und auch meiner Wohnsituation (Altbau ohne Aufzug) sie nicht pflegen können würde.

Ich habe dann im Juni 2005 auf der myblog-Plattform unter dem Titel Alzheimer und dann? mit dem Bloggen begonnen. Damals gab es kaum Infos über die verschiedenen Demenz-Formen im Netz. So war mein Blog eine Kombination aus persönlichen Erlebnissen mit meiner Mutter und auch vielen Infos rund um Demenz.

In meinem ersten Beitrag habe ich erzählt, wie ich sie aus der Gerontopsychiatrie abgeholt habe und mit meiner Freundin und meinem Lebensgefährten nach Berlin gebracht habe. Ich habe mehrmals wöchentlich, zeitweise täglich gebloggt. Es war für mich eine Form des Sortierens und Verarbeitens. Ich wollte andere in ähnlicher Situation und auch meine Freunde und Bekannten und Mamas ehemalige Arbeitskollegen teilhaben lassen. Mir war es ab einem bestimmten Punkt auch zuviel, immer wieder die Frage „wie geht es deiner Mutter“ zu beantworten.

Ich habe aus dem Alltag meiner Mutter erzählt, wie man ein gutes Heim findet (Kriterien für „gut“), über die Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse, die Unerfreulichkeiten im ersten Heim, Suche nach einem neuen Heim und wie gut es dort lief, die Freundschaft meiner Mutter mit Herrn Flieger, die Besuche von Therapiehund Largo, welche Bedeutung Spiritualität für meine Mutter, die ihr Erwachsenenleben mit Religion nichts am Hut hat, bekommen hat. Viele Fragen, die mich bewegt haben, sind in diesem Blog behandelt worden. Ich habe Bücher und Filme zum Thema Alzheimer besprochen, künstlerische Arbeiten von MitbewohnerINNEn meiner Mutter fotografiert und im Blog gezeigt.

Im Sommer 2010 gab es immer wieder und immer mehr technische Schwierigkeiten. Manchmal waren meine Beiträge tagelang verschwunden. Immer wieder gab es hunderte von Spam-Kommentaren. Deshalb bin ich im August 2010 auf die wordpress-Plattform umgezogen und habe unter Alzheimerblog weiter geschrieben. Im Begrüßungsartikel habe ich zusammengefaßt, warum ich weiterhin blogge:

Ich habe in der letzten Zeit festgestellt, daß mich das Interesse, wie es mir geht, sehr berührt hat. Manchmal war ich aber auch überfordert, wenn ich Erlebnisse wiederholt erzählt habe. Zuweilen habe ich mich auch gefragt, ob ich andere mit meinen Erzählungen überfordere.

Bei einem Weblog kann sich jede/r aussuchen, wann, was und wieviel er liest.

So hoffe ich, daß das Schreiben hier eine Entlastung für mich ist. Zugleich hoffe ich, daß die Situation der von Alzheimer betroffenen Angehörigen nachvollziehbarer wird. Dabei ist mir klar, daß ich nicht repräsentativ bin, denn meine Mutter ist in einem Heim. Die meisten Alzheimer-Kranken werden zuhause von ihren Angehörigen jahrelang gepflegt.

Es ist ein langsamer und sehr belastender Abschied. Und dennoch hat es in dieser kurzen Zeit immer wieder Momente gegeben, in denen eine für mich neue Begegnung mit meiner Mutter möglich war.

Ich freue mich über Kommentare und Fragen, behalte mir jedoch vor, alles was beleidigend oder diskriminierend ist, zu löschen.

Bis zum Tod meiner Mutter im März 2011 habe ich weiterhin wöchentlich gebloggt. Danach wurden meine Beiträge seltener. Dennoch wurde ich 2014 für den Grimme-online-Award in der Kategorie „Information und Bildung“ nominiert. Ich war eingeladen zur Gala in Köln. In einer anderen Kategorie war noch ein zweites Alzheimer-Blog nominiert. Inzwischen war Demenz immer mehr als Thema in die Öffentlichkeit gekommen.

Das Alzheimer-Blog wird immer noch besucht. Inzwischen sind im Netz vielfältige Infos zu diesem Themenbereich verfügbar. In den ersten Jahren meines Bloggens war ich in den Suchmaschinen unter den ersten zehn Treffern. Vor mir waren professionelle Seiten wie die der Alzheimer-Angehörigen-Initiative oder der Deutschen Alzheimergesellschaft oder ähnliches.

Inzwischen schreibe ich nur noch sehr selten, wenn mir ein interessanter Film oder ein interessantes Buch auffällt. Vor vier Wochen ist ein Nachbar, der an Demenz erkrankt ist, in ein Heim gekommen. Auf seinen Wunsch war ich dabei, als der MDK (medizinischer Dienst der Krankenkassen) anrief, um seine Pflegestufe, die inzwischen zum Pflegegrad wurde, herauszufinden. Darüber werde ich demnächst einen Beitrag verfassen. Inzwischen sind andere Themen für mich wichtiger geworden.

Im Februar 2006 habe ich mit einem zweiten Blog begonnen, der bis ins Jahr 2013 lief. Es war wie das Alzheimerblog ein Nischenblog und diente auch dazu, Menschen, die Interesse an diesem speziellen Thema hatten, zu informieren. Ich gehöre einer Minderheit an und habe über Erlebnisse und Fragen, die damit zusammenhingen, gebloggt.

Ich habe in der Folgezeit noch drei Nischenblogs begonnen – eines davon zu einem beruflichen Thema, die beiden anderen zu sozialen Themen. Sie werden gut besucht, stoßen jedoch nicht auf eine vergleichbare Resonanz wie das Alzheimerblog in seinen Hoch-Zeiten.

Der erste Beitrag vom 16. Juni 2011, der bei myblog verschwunden war und blieb ist hier nochmal zu finden und macht die emotionale Achterbahn, in der ich die folgenden Jahre unterwegs war, deutlich.

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