Die Ballerina, der die Identität geklaut wurde

In den sozialen Medien ging in den letzten Wochen ein Video herum von einer M.arta G.onzales, die in den 60ern als Primaballerina auf der Bühne gestanden sein soll, später an Demenz erkrankte. Doch als sie die Musik zu „Schwanensee“ hörte, sei die Erinnerung zurückgekommen und sie in ihr früheres Leben zurückversetzt worden. Das Video der an Alzheimer erkrankten Tänzerin ist eine Werbung für eine Wohltätigkeits-organisation. Ich habe dieses Video, das sehr gelobt wurde, nicht angesehen, denn auf mich wirkte es übergriffig. Es war für mich nicht erkennbar, ob die Tanzende zugestimmt hat, so gezeigt zu werden. Frau Brüllen hat es in ihrem Blogbeitrag „Spielverderberin“ hervorragend auf den Punkt gebracht (dicke Leseempfehlung!).

Ich kann mich noch gut erinnern, wie eine Studierendengruppe von „Filmstudenten“ ihren Abschlußfilm über das Erleben von Demenzkranken im Heim von meiner Mutter drehen wollte (mehr dazu auf meinem alten Blog hier). Für eine ganze Reihe von Bewohnerinnen und Bewohnern war das eine besondere Erfahrung, weil sie monatelang von drei Studierenden besucht und begleitet wurden bevor die Dreharbeiten stattfanden. Intensive Kontakte sind dabei entstanden. Sowohl die BewohnerINNEN als auch Angehörigen mußten ihr Einverständnis deutlich machen. Da die betroffenen Demenzkranken alle unter gesetzlicher Betreuung standen, mußten die BetreuerINNEN ihr Einverständnis schriftlich erklären. Ich habe das Engagement des Pflegeheims sehr bewundert, denn es war mit sehr viel zusätzlichem Aufwand verbunden, den Heim-bewohnerINNEn und den Studierenden diese Erfahrung zu ermöglichen und gleichzeitig diejenigen „abzuschotten“, die an diesem Projekt nicht teilhaben wollten. Zu einem sehr späten Zeitpunkt hat dann ein Angehöriger sein Einverständnis zurückgezogen. Nicht wenige Szenen mußten herausgeschnitten werden.

Wiebke Hüster von der Frankfurter Rundschau ist in ihrem Artikel „Mit den Muskeln hören“ der Geschichte nachgegangen, benennt eine Reihe von Unstimmigkeiten und kommt zu folgendem Schluß:

„Und die Schwarzweißaufnahmen einer auf Spitze tanzenden Ballerina, die zwischen die Aufnahmen der Musik hörenden und mit Fingern und Blicken tanzenden alten Frau geschnitten sind, zeigen nicht sie, sondern Ulyana Lopatkina, eine wirkliche Primaballerina des St. Petersburger Mariinsky-Balletts. Sie tanzt auch keinen Auszug aus „Schwanensee“, sondern aus dem „Sterbenden Schwan“ nach dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns.“

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Ein Dorf für Demenzkranke am Bodensee?

Seit ich im Sommer 2015 erstmals das niederländische Demenzdorf „de Hogeweyk“ hier im Blog erwähnt habe, sind immer wieder Besucher über dieses Stichwort auf das Blog gekommen. Inzwischen gibt es auch ein deutsches Demenzdorf bei Hameln in Nieder-sachsen. Allerdings mußten aufgrund der deutschen administrativen Rahmenbedingun-gen konzeptionelle Zugeständnisse gemacht werden, denn so ein Demenzdorf ist mit deutschen Richtlinien und Vorgaben nur schwer umzusetzen.

In Hergensweiler bei Lindau soll nun für 120 Menschen ein Demenzdorf entstehen, das näher am niederländischen Orginal dran ist. Das wäre dann möglich, wenn dieses Vorhaben ein Forschungsprojekt werden könnte. Darüber ist in der gestrigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ein Artikel erschienen und zwar hier.

Nachtrag: Ich habe mir die Suchworte angeschaut, die auf dieses Blog geführt haben. Es führt : „alzheimerblog wordpress“. Danach kommt in unterschiedlichen Varianten das Demenzdorf in den Niederlanden – und danach kommt lange nichts. Das scheint mir ein Hinweis zu sein, daß viele Menschen nach einer anderen Betreuungsform für demente Menschen suchen als das, was sie bis jetzt meist vorfinden.

 

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Wer pflegt, wird arm …

Am Beispiel von Frau Lonn, die sieben Jahre ihre Mutter gepflegt hat und bei deren Tod Mitte 50 ist, zeigt eine Reportage von Deutschlandradio Kultur, wie das pflegerische Engagement von Angehörigen in die Armutsfalle führt. Die sehr hörenswerte Sendung ist hier nachzuhören und nachzulesen.

Wer wählt für die Dementen?

Auch Demente sind wahlberechtigt. In Deutschland sind schätzungsweise 700 000 Menschen von dieser Frage betroffen. Ob sie auch wahlfähig sind, ist im Einzelfall sehr unterschiedlich. Es ist eine heikle Diskussion, die niemand führen will. In vielen Fällen werden andere (Angehörige, Mitarbeiter von Pflegeheimen) dieses Recht für sie ausüben, was strafbar ist. Markus Wehner hat dazu einen lesenswerten Artikel in der FAZ publiziert.

Testament und Demenz

Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, daß eine Demenz- bzw. Alzheimerdiagnose die Erstellung eines Testaments ausschließt. Deshalb herzlichen Dank für den folgenden Gastbeitrag aus einer Anwaltskanzlei in Hamburg, die eine Fortbildung zu diesem Thema für Mitarbeiter der örtlichen Alzheimerinitiative durchgeführt hat.

Hinterlässt eine an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz erkrankte Person ein Testament, stellt sich häufig die Frage, ob dieses überhaupt wirksam ist, der Erblasser also „testierfähig“ war. Der nachfolgende Gastbeitrag von Kristin Winkler, Fachanwältin für Erbrecht, will Betroffenen einige praktische Rechtstipps rund um das Thema Erbrecht, Testament & Testierfähigkeit bei Demenz geben.

Wann führt Demenz zur Testierunfähigkeit?

Wer wirksam ein Testament errichten, ändern oder widerrufen will, muss testierfähig sein. Nach dem Erbrecht ist testierunfähig, „wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit,
wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Konkret bedeutet dies, dass ein Erblasser selbständig und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen können muss. Er muss sowohl eine Vorstellung davon haben, dass er ein Testament errichtet als auch Kenntnis darüber, welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen haben. Dazu muss er sich ein klares Urteil darüber bilden können, welche Tragweite und Auswirkungen auf Betroffene seine Anordnungen im Testament haben.

Dass diese Voraussetzungen im Verlauf einer Demenzerkrankung verloren gehen, liegt auf der Hand. Schwierig ist jedoch die zeitliche Bestimmung, wann die Schwelle zur Testierunfähigkeit überschritten ist. Testierfähigkeit muss ja lediglich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorliegen. Wird man später testierunfähig, hat das keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Testaments. Allein die Diagnose Alzheimer bedeutet noch nicht, dass man nicht mehr wirksam testieren kann. Selbst die Annahme einer mittelschweren Demenz, bedeutet nicht automatisch Testierunfähigkeit, auch wenn diese in der Praxis in den allermeisten dieser Fälle so sein wird. Immer muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob die Krankheit auch tatsächlich den Verlust der oben geschilderten Fähigkeiten verursacht hat. Auch eine vom Betreuungsgericht angeordnete Betreuung für einen Demenzkranken kann daher allenfalls ein Indiz für eine etwaige Testierunfähigkeit sein.

Testamentserrichtung bei Diagnose oder Verdacht auf Alzheimer

Bei der Testamentserrichtung durch eine Person, bei der bereits eine Demenz besteht oder diese zumindest nicht auszuschließen ist, sind insbesondere drei Punkte zu beachten:

1. Zeitnahe Errichtung: Auch wenn der Krankheitsverlauf bei Alzheimer oder anderen Demenzarten Schwankungen unterliegt, ist er doch im Grundsatz von einer stetigen Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten geprägt. Aus diesem Grund sollten Betroffene nicht unnötig Zeit verlieren, ihren Nachlass zu regeln.

2. Notarielle Errichtung: Auch wenn ein Testament handschriftlich formwirksam errichtet werden kann, sollte im Zusammenhang mit Demenz die Errichtung durch eine Beurkundung vor einem Notar vorgezogen werden. Auch wenn der Notar kein Experte zur Beurteilung des Geisteszustands eines Testierenden ist, muss er die Testierfähigkeit im Rahmen des ihm Möglichen prüfen und darüber einen Vermerk machen. Streiten später potentielle Erben über die Testierfähigkeit, ist die Beurteilung des Notars nicht der entscheidende aber doch ein bedeutender Aspekt.

3. Ärztliches Gutachten: Die wirksamste – und aufwendigste – Vorkehrung bei der Testamentserrichtung im Zusammenhang mit Demenz ist ein ärztliches Sachverständigengutachten unmittelbar vor der Testamentserrichtung. Ein solches Gutachten sollte dabei unbedingt durch einen Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie durchgeführt werden, der über forensische Erfahrung verfügt und die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Testierfähigkeit kennt.

Definitive Gewissheit darüber, dass ein Testament später Bestand haben wird, gibt es jedoch nicht. Auch die sorgfältigste Vorgehensweise schließt nicht aus, dass Personen, die aufgrund des Testaments benachteiligt sind, also insbesondere Angehörige, deren gesetzliches Erbrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, im Erbfall gerichtlich gegen das Testament vorgehen. Wer jedoch schon bei der Testamentserrichtung die obigen Ratschläge befolgt, hat zumindest die bestmöglichen Voraussetzungen, dass sein Wille später auch tatsächlich umgesetzt wird.Über die Autorin: Rechtsanwältin Kristin Winkler ist Partnerin der Kanzlei Rose & Partner und Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht. Sie betreut Mandanten sowohl bei der Planung von Erbfällen, wickelt Erbschaften ab und vertritt Beteiligte im Erbstreit.

Petition Rechte von zwangsbetreuten Dementen stärken

Heute bin ich auf eine Petition hingewiesen worden: Rechte von zwangsbetreuten Dementen stärken. Es geht um Folgendes: Immer wieder erleben Angehörige von dementiell veränderten Menschen, daß sie – auch wenn ein alter Angehöriger in gesunden Tagen schriftlich festgelegt hat, sie als Betreuer zu wollen, ihnen die Betreuung nicht zugesprochen wird oder Gründe gesucht werden, die Betreuung unter fadenscheinigen schwer oder nicht nachvollziehbaren Vorwänden einem Berufsbetreuer zu übergeben.

Deshalb hat eine Betroffene, Dietlind Stobbe, eine Petition formuliert. Ich habe erlebt, wie schnell man in die Mühlen der Behörden geraten kann. Als meine Mutter noch lebte, stand ich selber einmal vor der Situation, daß mir die Betreuung aberkannt wurde mit der Begründung, ich sei nicht geeignet ihre finanziellen Belange wahrzunehmen. Das Gericht kam damit auf Dauer nicht durch, weil ich aufgrund meines beruflichen Hintergrundes das Gegenteil nachweisen konnte. In geschäftsführender Verantwortung war ich zuständig für einen Jahresetat von 300 000 Euro und es hatte zu keiner Zeit Beanstandungen gegeben.

Zur Petition geht es hier

Was bedeutet eigentlich „Einwilligungsvorbehalt“ bei gesetzlichen Betreuungen?

Dr. Jan Dreher vom psychiatrietogo-Blog erklärt kurz, knackig und gut verständlich, was es mit dem Einwilligungsvorbehalt bei gesetzlichen Betreuungen auf sich hat. Es ist sein erster Videopost und hoffentlich folgen noch viele weitere. Sogar Untertitel gibt es.

Mit Demenz im Allgemeinkrankenhaus

Screenshot: Fakt-Sendung vom 22.10.2013

Screenshot: Fakt-Sendung vom 22.10.2013

Demenz ein unterschätztes Problem in Krankenhäusern“ lautete der Titel eines ausgezeichneten Beitrags im Polit-Magazin FAKT vom 22. Oktober 2013. Das Video ist hier (7 Minuten), eine Zusammenfassung des Sendetextes hier nachzulesen.

Für mich gehören die Erfahrungen, die ich mit meiner Mutter in Allgemeinkrankenhäusern machen mußte, zu den schlimmsten. Allgemeinkrankenhäuser sind nicht auf dementiell veränderte Menschen eingerichtet. Man hat gar nicht die Zeit den Patienten das Essen anzureichen. Was nach einer bestimmten Zeit nicht gegessen ist, wird weggeräumt. Aber das sind noch eher die „milderen“ Situationen. Einmal habe ich meine Mutter mit einem Bauchgurt fixiert vorgefunden. Sie lag – ich sage es jetzt so drastisch wie es war – in ihrer eigenen Schei… Bauchgurt ist so ziemlich das Fieseste was es gibt. Man hat keinen Bewegungsspielraum mehr mit dem Unterkörper.

Da ich die gesetzliche Betreuung hatte, befragte ich das Krankenhauspersonal und wollte die richterliche Genehmigung sehen, die für solche Zwangsmaßnahmen vorgeschrieben ist. Eine solche lag nicht vor. Glücklicherweise hatte ich – es liegt schon ein paar Jahre zurück – ein Handy mit Fotofunktion. Seitdem habe ich grundsätzlich bei Krankenhausbesuchen eine Digitalkamera mitgenommen. Ich sagte dem Pflegepersonal, daß ich mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden bin, daß dieses Handeln illegal ist, da keine richterliche Genehmigung vorliegt. Ich hätte alles fotografisch dokumentiert und würde auch bei zukünftigen Besuchen eine Digitalkamera mit mir führen. Sollte es nochmal zu einem derartigen Vorfall kommen, dann würde ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde einleiten, eine Strafanzeige machen und die lokale Presse benachrichtigen.

Nach den meisten Krankenhausaufenthalten war meine Mutter immer mehr oder weniger lang durch den Wind. Eine positive Ausnahme gab es. Dort wußte ich, daß meine Mutter gut aufgehoben ist und deshalb soll es hier lobend erwähnt werden: Das Krankenhaus in Rüdersdorf (östlich von Berlin). Wie aber der „normale“ Krankenhausalltag für Demenzkranke aussehen kann – ohne das oben erwähnte extreme Beispiel von Fixierung – habe ich in zwei früheren Blogeinträgen im alten Alzheimerblog beschreiben: Indirekte Aggressionen und Entlassungsturbulenzen.

Das Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken hat eine Studie durchgeführt. Unter anderem wurden Pflegedienstleitungen danach befragt, wie hoch der Anteil von dementen Patienten bei ihnen sei. Er wurde auf sechs Prozent geschätzt. Aus epidemologischen Studien weiß man aber, daß dieser Anteil in der Realität um die zwanzig Prozent liegt.

Anscheinend bekommt dieses Thema jetzt vermehrt Beachtung in den Medien. In der ZEIT vom 13. Oktober 2013 wird von einem Krankenhaus in Schottland berichtet, das viele Fachleute aus dem Ausland besichtigen wegen seines modellhaften Umgangs mit Demenzkranken: Wo bin ich hier? ist der Artikel überschrieben. Aber auch in Deutschland gibt es bereits erste Ansätze. Die Westfälischen Nachrichten vom 1.3.2013 berichten über eine Praxiswerkstatt „Demenzpatienten im Krankenhaus: Zuwendung ist entscheidend.

Wer ganz viel Zeit, Interesse und Ausdauer hat, kann sich in die Arbeit die Versorgung demenzkranker älterer Menschen im Krankenhaus (pdf-Datei, 95 Seiten), die am Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld entstanden ist, vertiefen.

Das neue Wort, das ich heute gelernt habe im Zusammenhang mit diesem Blogeintrag: Demenzsensibles Krankenhaus

Neues Urteil zum Elternunterhalt

Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn die Eltern ins Heim müssen und das von den eigenen Einkünften nicht finanzieren können? Das ist eine häufige Frage von erwachsenen Kindern, die dazu noch häufig in einer Sandwichposition sind: Sie finanzieren bereits die Ausbildung des eigenen Nachwuchses und dann kann ein Elternteil möglicherweise nicht mehr zuhause leben. Wie ist das dann mit dem eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung? Der BGH hat nun in einem Urteil die Position der erwachsenen Kinder gestärkt.

Ein Eigenheim gilt nicht zwangsläufig als Vermögen, das für den Unterhalt pflegebedürftiger Eltern verwendet werden muss – so entschied es der BGH. Grundsätzlich sind Verwandte gerader Linie aber zum Unterhalt verpflichtet. Mehr dazu auf der Seite von Tagesschau.de:  http://www.tagesschau.de/inland/bgh210.html

Krankentransport und Demenz

Krankentransport

Krankentransport

Gestern war ich bei einem Gespräch mit der Ärztin, die Günter im Rahmen einer Strahlentherapie ambulant behandelt hat. Zehn Mal wurde er mit dem Krankentransport einer bekannten Berliner Firma hin- und nach Hause gebracht. Die Firma fährt mit Wagen, die das Signet auf der Abbildung oben tragen durch die Stadt. Bis auf eine Ausnahme war es katastrophal und stressig. Grundsätzlich kamen die Fahrer knapp, meistens aber zu spät – und zwar erheblich zu spät. Einmal hatte Günter um 12.00 Uhr einen Bestrahlungstermin und das Fahrzeug holte ihn erst um 12.40 ab. Die Entfernung beträgt laut Routenplaner drei Kilometer und wenn man durchfahren kann, dann dauert es etwa 8 – 10 Minuten. Als ich nun die Herren bei dieser extremen Verspätung fragte, warum sie erst jetzt kämen, antworteten sie mir, sie hätten den Auftrag erst vor 15 Minuten erhalten.

Immer wieder rief ich bei der Firma H. an und mußte nachfragen, warum der Wagen denn noch nicht da sei und wie lange es noch dauert. Ich bekam immer nur verschwommene Aussagen und merkwürdige Begründungen wie beispielsweise, daß Liegendtransporte Vorrang hätten – Günter wurde in einer Sitztrage transportiert.

Eine Nachfrage bei der Krankenkasse erbrachte die Auskunft: „Das macht die Charitè. Da können wir nichts machen“. Darüber – und über anderes – wollte ich mit der behandelnden Ärztin sprechen, denn warum muß die Klinik mit einem Krankentransportunternehmen zusammenarbeiten, dessen schlechte Organisation ein unnötiges Maß an zusätzlichem Streß für die Kranken bedeutet. Bei dem einen optimalen Transport war Günter nach nicht einmal eineinhalb Stunden zuhause. Bei den suboptimalen Transporten dauerte es mindestens drei meistens vier Stunden und mehr. Wenn er nicht pünktlich zu seinem Termin da ist, dann muß er sich quasi hinten anstellen. Er hatte immer wieder Angst, daß er überhaupt nicht mehr dran kommt. Dazu kam, daß die Verwaltung des Krankentransportes den Fahrern falsche oder keine Angaben über den Transportweg machte. So wurde Günter einmal eine dreiviertel Stunde in ein anderes Krankenhaus transportiert.

Was ich von der Ärztin zu diesem Thema erfahren habe hat mich einigermaßen überrascht. Die Ärztin erzählte mir, daß das Kapitel Krankentransport eines der sehr unerfreulichen ihrer Arbeit sie. Jeden Tag gäbe es unendlich viel Ärger damit. Wenn ein Patient einen Krankentransport zu einer ambulanten Therapie benötigt, dann schreibt sie das dem Patienten auf. Mehr hat das Krankenhaus eigentlich nicht mehr damit zu tun. Der Patient setzt sich dann mit seiner Krankenkasse in Verbindung. Die Krankenkasse hat Verträge mit verschiedenen Transportunternehmen. Darunter kann der Patient sich dann ein Unternehmen aussuchen. In der Praxis läuft es dann oft so, daß das Krankenhaus gleich diese Verordnung an die Krankenkasse faxt um das Verfahren zu beschleunigen und die Krankenkasse dann sich mit einem Transportunternehmen in Verbindung setzt, das zu ihren Vertragspartnern gehört.

Außerdem erzählte die Ärztin, daß das Sozialgesetzbuch, das den rechtlichen Rahmen dieser Krankentransporte festlegt, vorschreibt, daß die Patienten von zuhause bis zum Eingang der Therapie-Einrichtung, in der die Behandlung stattfindet, bringen müssen. Es gäbe aber durchaus Verträge von Krankenkassen mit Transportunternehmen, die -gesetzeswidrig – festlegen, daß der Transport von der Wohnung zum Klinikgelände erfolge. Gerade bei dementiell veränderten Patienten könne das zur Folge haben, daß die dann mangels ausreichender Orientierung auf dem Klinikgelände umherirren. Es sei dabei auch schon vorgekommen, daß demente Patienten zu Schaden gekommen seien. Da habe dann die Krankenkasse versucht, das Krankenhaus haftbar zu machen.

Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen.