Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, daß eine Demenz- bzw. Alzheimerdiagnose die Erstellung eines Testaments ausschließt. Deshalb herzlichen Dank für den folgenden Gastbeitrag aus einer Anwaltskanzlei in Hamburg, die eine Fortbildung zu diesem Thema für Mitarbeiter der örtlichen Alzheimerinitiative durchgeführt hat.
Hinterlässt eine an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz erkrankte Person ein Testament, stellt sich häufig die Frage, ob dieses überhaupt wirksam ist, der Erblasser also „testierfähig“ war. Der nachfolgende Gastbeitrag von Kristin Winkler, Fachanwältin für Erbrecht, will Betroffenen einige praktische Rechtstipps rund um das Thema Erbrecht, Testament & Testierfähigkeit bei Demenz geben.
Wann führt Demenz zur Testierunfähigkeit?
Wer wirksam ein Testament errichten, ändern oder widerrufen will, muss testierfähig sein. Nach dem Erbrecht ist testierunfähig, „wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit,
wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Konkret bedeutet dies, dass ein Erblasser selbständig und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen können muss. Er muss sowohl eine Vorstellung davon haben, dass er ein Testament errichtet als auch Kenntnis darüber, welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen haben. Dazu muss er sich ein klares Urteil darüber bilden können, welche Tragweite und Auswirkungen auf Betroffene seine Anordnungen im Testament haben.
Dass diese Voraussetzungen im Verlauf einer Demenzerkrankung verloren gehen, liegt auf der Hand. Schwierig ist jedoch die zeitliche Bestimmung, wann die Schwelle zur Testierunfähigkeit überschritten ist. Testierfähigkeit muss ja lediglich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorliegen. Wird man später testierunfähig, hat das keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Testaments. Allein die Diagnose Alzheimer bedeutet noch nicht, dass man nicht mehr wirksam testieren kann. Selbst die Annahme einer mittelschweren Demenz, bedeutet nicht automatisch Testierunfähigkeit, auch wenn diese in der Praxis in den allermeisten dieser Fälle so sein wird. Immer muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob die Krankheit auch tatsächlich den Verlust der oben geschilderten Fähigkeiten verursacht hat. Auch eine vom Betreuungsgericht angeordnete Betreuung für einen Demenzkranken kann daher allenfalls ein Indiz für eine etwaige Testierunfähigkeit sein.
Testamentserrichtung bei Diagnose oder Verdacht auf Alzheimer
Bei der Testamentserrichtung durch eine Person, bei der bereits eine Demenz besteht oder diese zumindest nicht auszuschließen ist, sind insbesondere drei Punkte zu beachten:
1. Zeitnahe Errichtung: Auch wenn der Krankheitsverlauf bei Alzheimer oder anderen Demenzarten Schwankungen unterliegt, ist er doch im Grundsatz von einer stetigen Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten geprägt. Aus diesem Grund sollten Betroffene nicht unnötig Zeit verlieren, ihren Nachlass zu regeln.
2. Notarielle Errichtung: Auch wenn ein Testament handschriftlich formwirksam errichtet werden kann, sollte im Zusammenhang mit Demenz die Errichtung durch eine Beurkundung vor einem Notar vorgezogen werden. Auch wenn der Notar kein Experte zur Beurteilung des Geisteszustands eines Testierenden ist, muss er die Testierfähigkeit im Rahmen des ihm Möglichen prüfen und darüber einen Vermerk machen. Streiten später potentielle Erben über die Testierfähigkeit, ist die Beurteilung des Notars nicht der entscheidende aber doch ein bedeutender Aspekt.
3. Ärztliches Gutachten: Die wirksamste – und aufwendigste – Vorkehrung bei der Testamentserrichtung im Zusammenhang mit Demenz ist ein ärztliches Sachverständigengutachten unmittelbar vor der Testamentserrichtung. Ein solches Gutachten sollte dabei unbedingt durch einen Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie durchgeführt werden, der über forensische Erfahrung verfügt und die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Testierfähigkeit kennt.
Definitive Gewissheit darüber, dass ein Testament später Bestand haben wird, gibt es jedoch nicht. Auch die sorgfältigste Vorgehensweise schließt nicht aus, dass Personen, die aufgrund des Testaments benachteiligt sind, also insbesondere Angehörige, deren gesetzliches Erbrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, im Erbfall gerichtlich gegen das Testament vorgehen. Wer jedoch schon bei der Testamentserrichtung die obigen Ratschläge befolgt, hat zumindest die bestmöglichen Voraussetzungen, dass sein Wille später auch tatsächlich umgesetzt wird.Über die Autorin: Rechtsanwältin Kristin Winkler ist Partnerin der Kanzlei Rose & Partner und Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht. Sie betreut Mandanten sowohl bei der Planung von Erbfällen, wickelt Erbschaften ab und vertritt Beteiligte im Erbstreit.