Endlich: Berliner mit Betreuer dürfen wählen

Berliner, die dauerhaft einen Betreuer an ihrer Seite haben, dürfen künftig wählen. Eine entsprechende Änderung des Landeswahlgesetzes wurde am 7. März 2019 von den Abgeordneten mehrheitlich beschlossen. Das Gesetz regelt die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen.

Bislang waren Menschen von Wahlen ausgeschlossen, die zur Besorgung aller Angelegenheiten dauerhaft einen Betreuer haben. Eine Betreuung bekommen die Betroffenen, wenn sie zum Beispiel eine psychische Krankheit haben oder körperlich oder geistig behindert sind. Zudem durften Berliner nicht wählen, die wegen einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Diese Gruppen können nun wählen. Die Fraktionen von SPD, Linke und Grünen hatten die Änderung eingebracht.

Christian Specht, der selbst unter Betreuung steht und viele Jahre politisch engagiert ist, schreibt in der taz, was diese Gesetzesänderung für ihn bedeutet – und zwar hier.

 

 

Petition Rechte von zwangsbetreuten Dementen stärken

Heute bin ich auf eine Petition hingewiesen worden: Rechte von zwangsbetreuten Dementen stärken. Es geht um Folgendes: Immer wieder erleben Angehörige von dementiell veränderten Menschen, daß sie – auch wenn ein alter Angehöriger in gesunden Tagen schriftlich festgelegt hat, sie als Betreuer zu wollen, ihnen die Betreuung nicht zugesprochen wird oder Gründe gesucht werden, die Betreuung unter fadenscheinigen schwer oder nicht nachvollziehbaren Vorwänden einem Berufsbetreuer zu übergeben.

Deshalb hat eine Betroffene, Dietlind Stobbe, eine Petition formuliert. Ich habe erlebt, wie schnell man in die Mühlen der Behörden geraten kann. Als meine Mutter noch lebte, stand ich selber einmal vor der Situation, daß mir die Betreuung aberkannt wurde mit der Begründung, ich sei nicht geeignet ihre finanziellen Belange wahrzunehmen. Das Gericht kam damit auf Dauer nicht durch, weil ich aufgrund meines beruflichen Hintergrundes das Gegenteil nachweisen konnte. In geschäftsführender Verantwortung war ich zuständig für einen Jahresetat von 300 000 Euro und es hatte zu keiner Zeit Beanstandungen gegeben.

Zur Petition geht es hier

Was bedeutet eigentlich „Einwilligungsvorbehalt“ bei gesetzlichen Betreuungen?

Dr. Jan Dreher vom psychiatrietogo-Blog erklärt kurz, knackig und gut verständlich, was es mit dem Einwilligungsvorbehalt bei gesetzlichen Betreuungen auf sich hat. Es ist sein erster Videopost und hoffentlich folgen noch viele weitere. Sogar Untertitel gibt es.

Die sind nicht bescheuert …

ist ein Interview in der Printausgabe des Spiegel von letzter Woche (10. März 2014) überschrieben, das online leider nicht kostenfrei zugänglich ist. Michael Schmieder, Heimleiter von Haus Sonnweid, einem Schweizer Heim, das Maßstäbe gesetzt hat und setzt in der Betreuung von Demenzkranken, verwahrt sich gegen den verstörenden Trend, Demenzkranke in Pseudowelten leben zu lassen, sei es das niederländische Heim De Hogeweyk bei Amsterdam oder daß man Demenzkranke in ein Zugabteil setzt und ihnen dann per Filmprojektion Landschaften vorführt, die an ihrem Abteilfenster vorbeifliegen.

Das Interview finde ich sehr empfehlenswert und hoffe, daß es bald kostenfrei zugänglich wird. Dann trage ich den Link hier nach. Leider verbleibt das Interview derzeit im kostenpflichtigen Bereich. Aber es gibt einen nicht weniger lesenswerten Artikel über das Haus Sonnweid und zwar unter dem Titel Endstation Wellness.

Inzwischen gibt es den Artikel doch online und zwar hier. Frau Snoopy hat’s gefunden. Vielen Dank!

Vermittlung von Haushaltshilfen aus Osteuropa

Einer der häufigen Suchbegriffe, die auf dieses Weblog führen ist die Kombination von „Pflegekraft“ und „Polen“ oder „Osteuropa“.
In den letzten sieben Tagenlas sich das so:
Was kostet eine Polin
Was kostet eine Polin zur Pflege
Polin Pflegekraft
Polin Haushaltshilfe was darf sie kosten
wohnen Betreuung Polin
was kostet Polin die sich um Senioren kümmert

Nur die Suchanfragen nach dem Demenzdorf in den Niederlanden übersteigen die Anfragen nach den Haushaltshilfen aus Osteuropa.

Deshalb sei auf den Blogeintrag von Frau Apfelriemchen verwiesen, die ihre Erfahrungen bei der Suche nach einer polnischen Pflegekraft Haushaltshilfe beschreibt und zwar hier.

Zu diesem Themenbereich habe ich in den letzten Jahren einige Postings verfaßt:
Legal, illegal – scheißegal (2.9.2005)
Nahe Fremde ein Artikel von Felice Röhrs im Tagesspiegel (23.3.2006)
Nahe Fremde Anmerkungen zu einem Artikel von Felice Röhrs im Tagesspiegel (23.3.2006)
Wenn die Welt abhanden kommt (16.4.2006)
Moderne Arbeitssklaven – das illegale Geschäft mit der Pflege (18.9.2007)
Ein Engel für Opa (9.1.2008)
Pflege verfahren – über ein Gerichtsurteil über einen Vermittler von Pflegekräften (18.11.2008)
Und hier im wordpress-blog letztes Jahr im November:
Wieder mal: Pflegehilfen aus Osteuropa
Omas neue Polin (19.11.2011)

Oma bleibt in Thailand

Vor einem Jahr hat der Filmemacher Wolfgang Luck unterschiedliche Rentner aus Deutschland un der Schweiz aufgesucht und sich von ihren Neuanfängen in Thailand erzählen lassen: die Rentnerin Ute aus Buxtehude, die der Altersarmut in Deutschland entfliehen wollte und in eine Seniorenresidenz zog und anfangs eine Baustelle vorfand, der Rentner Reinhard aus Kiel, der mit einer Thaifrau in einem Appartement zusammenlebt und möchte, daß sie ihn pflegt und die Alzheimerpatientin aus der Schweiz, die in einer Pflegeeinrichtung von M. Wootli lebt und aus Dokumentationen über diese Pflegeeinrichtung in Chiang Mai manchen Fernsehzuschauern schon bekannt sein dürfte. „Oma will nach Thailand“ heißt dieser erste Film.

Nun war Wolfgang Luck wieder in Thailand und hat nachgeschaut, was aus den Dreien geworden ist:
Die äußeren Bedingungen von Ute aus Buxtehude haben sich sehr verbessert. Sie lebt in schöner Umgebung mit Pool und nettem Personal. Sogar eine Masseurin mit Wunderhänden gibt es, die viele von Utes Symptomen zum Verschwinden brachte. Gesundheitlich geht es ihr gut, 20 Kilo hat sie abgenommen, aber glücklich ist sie nicht, denn in der Residenz lebt jeder für sich und das Klima unter den Bewohnern ist frostig. Viel Spielraum hat Ute nicht, weil ihre Finanzen knapp sind. Über das Internet hat sie Kontakt zu anderen deutschen Rentnern gefunden und beschließt mit deren Unterstützung sich noch einmal ein anderes Leben auf eigenen Füssen außerhalb der Residenz aufzubauen.

Reinhard aus Kiel fühlt sich weiterhin wohl in Thailand, und natürlich wollte er anders als andere männliche (Sex-)Touristen von Anfang an was Festes. Mit seiner Partnerin, mit der er sich sprachlich kaum verständigen kann, gibt es Probleme. Die möchte nämlich gern zurück zu ihrer Familie aufs Land. Das würde für Reinhard heißen, daß er den gewohnten Luxus hinter sich läßt. Er entschließt sich zu einer Art „Recherchereise“ und begleitet seine Partnerin beim Besuch ihrer Familie während des buddhistischen Neujahrsfestes.

Die Alzheimer-Patientin aus der Schweiz kann immer noch sprechen. Sie hat lange in englisch sprachigen Ländern gelebt. Immer wieder hat sie Heimweh nach der Schweiz und fragt, wann sie zurückkehren wird. Langsam versucht der Heimleiter ihr zu vermitteln, daß sie auf Dauer in Thailand bleiben wird. Die Beziehung zu ihrer Betreuerin ist sehr innig und sie ist deren Englischlehrerin.

Aus den Lebensgeschichten dieser drei Personen ist ein eindrucksvoller 45minütiger Film mit dem Titel „Oma bleibt in Thailand“ geworden, den man in den nächsten Monaten unter der folgenden URL ansehen kann:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/videos/minuten593.html

Pionierprojekt: ein Alzheimerdorf in den Niederlanden

Im Auslandjournal vom gestern wurde ein Beitrag über ein Dorf für dementiell veränderte Menschen in Weesp in der Nähe von Amsterdam gezeigt.

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Ihre Krankheit ist eine schwere Belastung, auch für Ehemann Anton, der Greet nicht mehr zu Hause betreuen kann. Nun lebt sie nahe Amsterdam im ersten Dorf speziell für Demenzkranke und ist Teil eines Pilotprojekts, das den Bewohnern trotz Krankheit weiterhin ein normales Leben ermöglichen soll… Ihre Krankheit ist eine schwere Belastung, auch für Ehemann Anton, der Greet nicht mehr zu Hause betreuen kann. Nun lebt sie nahe Amsterdam im ersten Dorf speziell für Demenzkranke und ist Teil eines Pilotprojekts, das den Bewohnern trotz Krankheit weiterhin ein normales Leben ermöglichen soll… Zieht man nach Hogeway, kann man sich für einen von sieben unterschiedlichen Lebensstilen entscheiden: städtisch, handwerklich, indisch, häuslich, kulturell, christlich oder goois, regional-typisch. So müssen sich die Patienten nicht entscheidend umgewöhnen und können auch in ihrer neuen Umgebung leben, wie sie es von früher gewohnt sind. Wohnen darf hier nur, wer in die höchste Pflegestufe eingeordnet wurde, Demenz im fortgeschrittenen Stadium hat und 24 Stunden am Tag betreut werden muss. 160 Euro pro Tag bekommt die Stiftung, die das Heim betreut, aus Kranken- und Sozialversicherung, um Wohnen, Essen und Betreuung der Bewohner zu finanzieren…

(Auszüge aus dem Artikel zur Sendung)

Der vollständige Artikel steht hier

Anmerkungen zu den Lebensstilen:
goois: Bezieht sich eine Region in der niederländischen Provinz Nordholland, zwischen Amsterdam, Amersfoort und Utrecht gelegen. Zur mit Heide, Wald, Wiesen und kleinen Seen geprägten Region zählen neben vielen authentischen Ortschaften verschiedene wichtige Naturschutzgebiete südlich des IJsselmeers. Die größte Stadt ist Hilversum.
indisch: Ist eine falsche Übersetzung. Richtig müßte es heißen „indonesisch“, was mit einer ehemaligen niederländischen Kolonie zu tun hat.
Wegen des hohen muslimischen Bevölkerungsanteils in den Niederlanden plant Hogewey auch für diesen potentiellen Bewohnerkreis ein entsprechendes Lebensumfeld zu schaffen.

Die Finanzierung der 5000 Euro monatlich pro Bewohner wird über die Pflegeversicherung gewährleistet. In diese bezahlt jeder je nach Höhe seines Arbeitseinkommens ein. Greets Mann muß nur 100 Euro monatlich für ihre Teilnahme an diversen Gruppenaktivitäten bezahlen.

Das Video über die Alzheimer-Siedlung in den Niederlanden ist hier (6:47 min)
(Dieser Videobeitrag ist wesentlich ausführlicher als die ZDF-Beiträge bei „heute in Europa“ vom 17.9. 2010 oder im „Morgenmagazin“ vom 21.9.2010).

Einen über den Videobeitrag hinaus weiterführenden, sehr ausführlichen und anschaulichen Artikel über „Die Kraft der Illusion – ein Dorf für Demenzkranke“ aus dem Rheinischen Merkur kann man hier nachlesen.

Eine Bilderstrecke findet man hier.

Nachtrag vom 19. September 2010:

Vor drei Tagen habe ich diesen Blogeintrag über das Alzheimerdorf in den Niederlanden gepostet. Dieser eine Eintrag hatte in den letzten drei Tagen 7 mal mehr Leser, die über Suchmaschinen kamen als alle anderen Artikel dieses Weblogs in den letzten sieben Tagen zusammen.

Ich vermute, daß die an diesem Artikel Interessierten vorwiegend Menschen sind, die beruflich mit dementiell veränderten Menschen zu tun haben, denn wer für seine Angehörigen eine Einrichtung sucht, wird das nicht im fremdsprachigen Ausland tun. Obwohl die Zugriffe auf diesen Artikel immens hoch sind, ist es der einzige Eintrag, der nicht kommentiert wurde. Mich würde interessieren, welche Eindrücke Professionelle von diesem Pionierprojekt haben und wie unter Hauptberuflichen darüber gesprochen wird. Gibt es auch kritische Anmerkungen? Wäre ein solches Projekt auch in Deutschland möglich und wenn ja unter welchen Rahmenbedingungen? Gerne kann der Kommentarbereich hier dafür genutzt werden. Es würde mich freuen, wenn Sie davon Gebrauch machen würden.

Nachtrag vom 13. Dezember 2010:

In der Berliner Zeitung vom 26. Oktober wird unter dem Titel Der Traum von Hogewey wird das niederländische Demenzdorf auch mit einigen kritischen Fragen konfrontiert. Wie ist es ethisch einzuordnen, wenn für dementiell veränderte Menschen eine künstliche Lebenswelt inszeniert wird?

Nachtrag vom 14. Dezember 2010:

Gestern erschien auf der Website vom Innovationskreis Demenz ein Artikel, der einen eintägigen Arbeitsbesuch in Hogewey am 20. Januar 2011 für Deutschsprachige ausschreibt. Mit 295 Euro ist man als professionell in diesem Bereich Tätiger dabei.

Nachtrag 23. September 2011:

In schöner Regelmässigkeit bekomme ich Anfragen von Leuten, die das Demenzdorf besuchen können. Ob man da übernachten kann etc.? Mich wundert das, denn dies ist ein Weblog, in dem ich über das Demenzdorf schreibe. Wenn Sie also Kontakt aufnehmen wollen, bemühen Sie eine Suchmaschine Ihres Vertrauens und finden Sie die Kontaktmöglichkeiten heraus.

Nachtrag 22. Juli 2012:
In der Badischen Zeitung ist ein Artikel über Hogewey unter der Überschrift „die blaue Pille“ erschienen, der auf die beiden Ebenen vor und hinter den Kulissen dieses Ortes eingeht – sehr gelungen!
http://www.badische-zeitung.de/gesundheit-ernaehrung/die-blaue-pille–61120289.html