Exportschlager Demenz?

… heißt eine Überschrift im Polit-Blog der Basler Zeitung von heute. Der Proffessor für politische Soziologie Walter Hollstein nimmt eine Entwicklung in den Blick, die nicht nur in der Schweiz zunehmend um sich greift. Demenzkranke Senioren werden – auch von Kommunen – in Pflegeeinrichtungen in Asien untergebracht auch im Blick darauf, wieviel Geld sich dadurch einsparen läßt:

Bei uns läuft der Demenzexport «diskreter» und vor allem schweizerisch pragmatisch. Es wird cool gerechnet und kalkuliert; moralische Bedenken und generationenübergreifende Verantwortung haben da keinen Platz. Der Aufenthalt für einen Demenzkranken in Asien kostet nur halb so viel wie in der Schweiz. Da kalkulieren viele Gemeindeverwalter schon, wie viel sie einsparen können und melden rasch ihr Interesse für solche Projekte an. Die Betreiber und Bauherren sind sowieso begeistert, weil sie mit einer hohen Rendite rechnen dürfen.

Auch die Leserkommentare sind lesenswert.

Oma bleibt in Thailand

Vor einem Jahr hat der Filmemacher Wolfgang Luck unterschiedliche Rentner aus Deutschland un der Schweiz aufgesucht und sich von ihren Neuanfängen in Thailand erzählen lassen: die Rentnerin Ute aus Buxtehude, die der Altersarmut in Deutschland entfliehen wollte und in eine Seniorenresidenz zog und anfangs eine Baustelle vorfand, der Rentner Reinhard aus Kiel, der mit einer Thaifrau in einem Appartement zusammenlebt und möchte, daß sie ihn pflegt und die Alzheimerpatientin aus der Schweiz, die in einer Pflegeeinrichtung von M. Wootli lebt und aus Dokumentationen über diese Pflegeeinrichtung in Chiang Mai manchen Fernsehzuschauern schon bekannt sein dürfte. „Oma will nach Thailand“ heißt dieser erste Film.

Nun war Wolfgang Luck wieder in Thailand und hat nachgeschaut, was aus den Dreien geworden ist:
Die äußeren Bedingungen von Ute aus Buxtehude haben sich sehr verbessert. Sie lebt in schöner Umgebung mit Pool und nettem Personal. Sogar eine Masseurin mit Wunderhänden gibt es, die viele von Utes Symptomen zum Verschwinden brachte. Gesundheitlich geht es ihr gut, 20 Kilo hat sie abgenommen, aber glücklich ist sie nicht, denn in der Residenz lebt jeder für sich und das Klima unter den Bewohnern ist frostig. Viel Spielraum hat Ute nicht, weil ihre Finanzen knapp sind. Über das Internet hat sie Kontakt zu anderen deutschen Rentnern gefunden und beschließt mit deren Unterstützung sich noch einmal ein anderes Leben auf eigenen Füssen außerhalb der Residenz aufzubauen.

Reinhard aus Kiel fühlt sich weiterhin wohl in Thailand, und natürlich wollte er anders als andere männliche (Sex-)Touristen von Anfang an was Festes. Mit seiner Partnerin, mit der er sich sprachlich kaum verständigen kann, gibt es Probleme. Die möchte nämlich gern zurück zu ihrer Familie aufs Land. Das würde für Reinhard heißen, daß er den gewohnten Luxus hinter sich läßt. Er entschließt sich zu einer Art „Recherchereise“ und begleitet seine Partnerin beim Besuch ihrer Familie während des buddhistischen Neujahrsfestes.

Die Alzheimer-Patientin aus der Schweiz kann immer noch sprechen. Sie hat lange in englisch sprachigen Ländern gelebt. Immer wieder hat sie Heimweh nach der Schweiz und fragt, wann sie zurückkehren wird. Langsam versucht der Heimleiter ihr zu vermitteln, daß sie auf Dauer in Thailand bleiben wird. Die Beziehung zu ihrer Betreuerin ist sehr innig und sie ist deren Englischlehrerin.

Aus den Lebensgeschichten dieser drei Personen ist ein eindrucksvoller 45minütiger Film mit dem Titel „Oma bleibt in Thailand“ geworden, den man in den nächsten Monaten unter der folgenden URL ansehen kann:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/videos/minuten593.html

Reise ins Vergessen …

… heißt ein Artikel, der heute im Tagesspiegel erschien. Bis jetzt gab es Dokumentationen über das Pflegeprojekt in Thailand, das von Markus Woodtli gegründet wurde, in verschiedenen Fernsehsendern. Sie waren mehr oder weniger (meist eher weniger) kritisch in ihrer Berichterstattung, aber was der Tagesspiegel heute zu diesem Thema bietet ist äußerst unkritisch.

In meinem alten Blog ist ein kritischer Gastbeitrag von Inge S., Lehrerin für Pflegeberufe, über das Projekt von Markus Woodtli wie es in einer Fernsehdokumentation dargestellt wurde, und zwar hier.

Lebensabend in der Fremde …

ist ein Beitrag überschrieben, den das Auslandsjournal heute um 22.15 h ausstrahlen wird. Es geht wieder mal um Baan Kamlangchay, ein Projekt für Demenzkranke in Thailand, das der Schweizer Makrus Woodtli gegründet hat. In der Vorschau heißt es:

Baan Kamlangchay ist mehr als ein Heim für Erkrankte. Hier werden die Patienten „Gäste“ genannt und auch so behandelt. Während Seniorenresidenzen in Deutschland sich vornehmlich auf das „Versorgen und Pflegen“ zu konzentrieren scheinen, steht in Thailand „Leben und Genießen“ im Vordergrund. Das Nachlassen geistiger und körperlicher Fähigkeiten im Alter gilt bei den Thailändern als normal und ist nicht mit den gleichen Ängsten behaftet wie in Deutschland. Liebevolle Betreuung und vergleichsweise niedrige Personalkosten sind die Hauptgründe für den Erfolg dieses Projekts in Thailand. Dennoch gestaltet sich die Pflege auch hier nicht ganz einfach, denn die deutschen Krankenkassen zahlen nicht für die Behandlungskosten in Ländern außerhalb der Europäischen Union mit denen kein Sozialversicherungsabkommen besteht.

Das läßt nicht unbedingt einen kritischen Zugang zum Thema erwarten. In meinem alten Weblog hat eine regelmässige Leserin, die Lehrerin für Pflegeberufe und Pflegewissenschaftlerin ist, ihre Fragen und Einschätzungen aufgeschrieben. Mehr dazu hier.