Vorgestern mußte ich zum letzten Mal in Mamas Heim und ihr Zimmer räumen. Ich hatte noch die Bilder von der Wohnungsauflösung vor 5 1/2 Jahren vor mir. Es war einfach nur schrecklich. Deshalb konnte ich im Blog damals auch gar nichts darüber schreiben, sondern habe es bei einer Andeutung belassen. Aber die Bilder davon kamen und kommen immer wieder. Sie waren zeitweise so massiv, daß ich ein paar Stunden Kunsttherapie gemacht habe, um sie loszuwerden oder zumindest zu begrenzen, obwohl den Löwenanteil der eigentlichen Arbeit damals Günter gemacht hat. Mit ihm und Gabi bin ich in Mamas alte Wohnung gefahren und habe aussortiert, was nach Berlin sollte. Am Tag als das Umzugsunternehmen bestellt war, schickte Günter mich mit Gabi in den Nymphenburger Schlosspark und sagte mir bescheid als das Umzugsunternehmen seine Arbeit beendet hatte. Das Ausräumen der Wohnung habe ich so gar nicht mitbekommen. Aber der Kontrast zwischen der vollen und fast leeren Wohnung hat mir mehr als genug zugesetzt. Zu wissen, da ist ein Mensch, der noch lebt und nie mehr in diese Wohnung zurückkehren wird, und über dessen Eigentum man entscheiden muss, war eine der schwierigsten und verstörendsten Erfahrungen dieser Zeit.
Heute war ich allein mit dem Ausräumen. Als ich in die Wohngruppe kam, war gerade Mittagszeit. Die meisten Bewohnerinnen waren beim Mittagsschlaf. Am Schwersten fiel es mir den Kleiderschrank auszuräumen. Ich fragte eine Hauswirtschaftsmitarbeiterin, ob ich das nicht einfach lassen könnte und sie das dann verwenden oder entsorgen könnten. Sie sagte, das dürfte sie nicht, aber ich solle einige Minuten warten und einen Kaffee trinken. Sie kam dann und ging mit mir in Mamas Zimmer und half mir dabei. Das war für mich eine sehr große Unterstützung. Ich habe ihr das hoch angerechnet, denn eigentlich war es ihre Mittagspause. Die beiden Herren vom Umzugsunternehmen waren auch sehr nett. Auf der Fahrt haben wir uns gut unterhalten, und es war sehr interessant zu hören, wie es ihnen als Migranten in Berlin geht und ihre Sicht auf die Stadt und die Menschen. Der eine war Libanese und der andere ein türkischstämmiger Deutscher.
Jetzt bin ich einfach nur erschöpft und froh, das hinter mich gebracht zu haben. Die Leiterin der Wohngruppe, die ein ganz großes Herz für Mama und auch die schwierigeren ihrer Eigenheiten hatte und dafür von Mama auch sehr geliebt wurde, war auf einer Fortbildung. Deshalb hat sie mir einen Brief hinterlassen, in dem sie sich für das Vertrauen und die gute Zusammenarbeit bedankt hat. Ein Satz hat mich besonders gerührt, weil ich ihr – sie ist von der ganz direkten Art – auch abnehme, daß er ehrlich gemeint ist: „Wir haben viele schöne Stunden und Tage mit Ihrer Mutter verbracht.“ Mich hat es immer wieder beeindruckt, wie dieses sehr junge Team (die pflegerisch und heilpädagogisch tätigen Kräfte waren alle zwischen Mitte 20 und Mitte 30, die Hauswirtschaftskräfte etwas älter) sich engagiert und den Alltag mit den Bewohnerinnen gestaltet hat.